Fährt Train Control WLAN aufs Abstellgleis? (Teil 1/3)

Train Lines Funksteuerung Train Control WLAN für die Gartenbahn ist nun zwei Jahre auf dem Markt. Damit ist es Zeit, einmal nachzufragen, was sich seit dem getan hat.

Drei Teile wird dieser Bericht umfassen, der erste liegt hiermit vor:

  1. Überblick Train Control WLAN
  2. Aussagen über Train Control WLAN hinterfragt
  3. Ein Blick über den Tellerrand, Hintergrund und Fazit

Wer suchet, der findet … eine Bedienungsanleitung?

Was für andere Hersteller eine Selbstverständlichkeit ist, ist bei Trainline auf der Website nicht zu finden: Eine PDF mit ausführlichen technischen Details.

Vor dem Kauf sollte man die Bedienungsanleitung lesen können, um zu prüfen, ob ein Produkt mit seinen Funktionen den Anforderungen entspricht und wie es zu handhaben ist. Knapp 200 EUR je Lok sind kein Pappenstiel, da erwarte ich einen solchen Service.
Auf Nachfrage bei Train Line verwies Meik Schröder auf die Firmen-Website, aber dort werden bis heute nur lange Texte präsentiert, die kaum technische Details enthalten.
Zwar bekam ich auf meine eMails schnelle Antwort, aber dieser Weg ist für beide Seiten – Kunden wie Hersteller – umständlich und vor allem zeitraubend.

Bildet man sich bei Train Line vielleicht ein, dadurch ausspioniert zu werden?
Den Stein der Weisen wird man in Bünde sicherlich nicht gefunden haben, denn die Technik werde millionenfach eingesetzt und ist streng nach Industriestandard normiert.
„Aber“, so mein Großvater immer, „Einbildung ist auch eine Bildung!“.

Übrigens enthält die Bedienungsanleitung, die ich auf Umwegen doch noch einsehen konnte, auch keine wesentlichen technischen Daten: Keine Strombelastbarkeit der Funktionsausgänge, deren Schaltverhalten oder einfach nur die genaue Decodergröße.

Kunden werden also weiterhin viel erfragen oder die Katze im Sack kaufen müssen.

Train Control WLAN – Inzwischen in der 2. Generation

Während die erste Generation noch mit Decodern verschiedener Preisklassen aufwartete, gibt es in der Neuauflage nur noch eine Variante. Der Einstiegspreis ist nun 199 EUR nach Liste statt vormals 179 EUR. Dafür ist der Gleichrichter vorinstalliert, es gibt zwei Goldcaps als Puffer und einen Servo-Anschluß, was für den Hersteller keinen besonderen Aufwand darstellt …
Der Schienenstrom-Betriebler freut sich darüber, der Akkufahrer zahlt in diesem Fall also unnötig drauf.

Der Train Control WLAN Decoder 2.0 im Überblick

Zum Betrieb des Decoders ist eine Android-App (8,99 EUR) notwendig, die heruntergeladen und installiert werden muss, ebenso wie eine QR-Erkennungsapp. Außerdem ist die spezielle Bedienungsoberfläche auf das Smartphone oder Tablet zu kopieren.

  • Raspberry Pi Einplatinencomputer
  • Größe der RaspPi-Platine 85,6 mm × 56 mm × 21 mm, einige Bauteile stehen jedoch über und es muss die Aufsteckplatine für die Ein- und Ausgänge hinzugerechnet werden
  • Eingangsspannung 8 – 24 V
  • 8 Funktionsausgänge, je max. 500 mA, 5 oder 24 V, Schaltung:  an/aus
  • 1 Motorausgang, max. 5 A, 256 Fahrstufen
  • 1 Servoausgang
  • Gesamtbelastung des Decoders (Motor und Funktionsausgänge zusammen) max. 5 A
  • Anschlüsse: SUSI, I²C-Port, Video-Eingang H.264*, RFID-Leser*, Lautsprecher
  • Lieferumfang: Raspberry-PI Computer, PLC Train Line, WLAN Antenne, SD Karte mit Software, 2 x Goldcap-Pufferung, Beschreibung
  • Listenpreis 199 EUR

*Train Line bewirbt diese Eingänge, allerdings ist die Videokamera nicht mehr im Programm, der interessierte Kunde müsste eine solche im Elektronikhandel beschaffen und installieren, und der RFID-Leser ist bisher nicht von Train Line angeboten und wohl auch noch nicht aktiviert worden.

Lieferbares Zubehör laut Internet-Shop:

  • Router, um zwei und mehr Loks gleichzeitig steuern zu können,
    8 Weichen schaltbar, mit Erweiterungsmodule bis zu 100 Weichen,
    135 EUR
  • Erweiterungsmodul für je 8 Weichen, 49 EUR
  • Dietz-Soundmodul für den SUSI-Port, 69 EUR
  • Sound-Prommer, um Soundmodule bespielen zu können, 59,95 EUR

Nicht für jede Lok – und die Stainz nur mit „Augen zu“

„Augen zu“ wäre wohl der richtige Hinweis, wenn man versucht, die WLAN-Decoder in einer Stainz unterzubringen. Was mit einem DCC-Decoder recht schmerzfrei zu bewerkstelligen ist, liest sich für den Train Control WLAN-Decoder so (zitiert aus dem Spur G Blog, Sommerserie 2014):

„Laut Aussage von Train Line passt der Decoder zum Beispiel bei die Stainz von LGB nur ins Führerhaus. Anschließend schaut die SD Karte noch ein wenig an der Seite heraus.“

Apple-Kunden: Wir müssen draußen bleiben!

Die Steuerung erfolgt mittels Smartphone oder Tablet. Dazu muss eine Android-App (8,99 EUR) installiert werden. Aber Train Line wirbt auch im Website-Text mit der Unterstützung von Apple-Geräten:

„Hier bedienen wir uns eine millionenfach verkauften Hardware, Ihrem Smartphone* oder Tablet*. Auf dieses Endgerät wird eine Applikation installiert, die das Fahren, Schalten und Stellen auf der Modellbahn ermöglicht.

*)auch APPLE Endgeräte sind grds. einsetzbar“

Natürlich ist das „grundsätzlich“ richtig, aber die Anleitung verweist nur knapp auf den Apple-Store und befasst sich ausführlich mit der Android-App.
Wessen Tablet oder Smartphone einen angebissenen Apfel ziert, ist hier scheinbar auf sich selbst gestellt oder sieht besser vom Einsatz eines Train Control WLAN Decoders ab.

Weshalb Train Line diesen eher potenten und ebenso technisch interessierten Kundenkreis so übergeht, erschließt sich nicht wirklich. Liegt es vielleicht am Entwickler, der in den Foren regelmäßig den Niedergang Apples voraussagt?

Zurück zur Software:

Die Installation ist einfach, sofern eine QR-App zur Erkennung und Verarbeitung von QR-Codes und die kostenpflichtige Steuerungs-App auf dem eigenen Smartphone installiert sind. Außerdem muss die Train-Control-WLAN-spezifische Bedienoberfläche auf dem Smartphone oder Tablet an die richtige Stelle kopiert werden.
Der mitgelieferte QR-Code wird eingescannt. Dabei werden alle wichtigen Einstellungen für die WLAN-Verbindung zur Lok automatisch vorgenommen.

Der erste Eindruck 2013 …

Der Spur-G-Blog bemängelte im Oktober 2013 beim Erscheinen der ersten Version der Train Line Control WLAN-Steuerung ebenfalls die Unzuglänglichkeiten der Android-Software, das Fehlen der Apple-Unterstützung und die (damals noch) nicht verhandene Möglichkeit der Weichensteuerung und kam in seinem abschließenden Kommentar zu folgenden Ergebnis:

„Damit Train Control WLAN aber wirklich eine breite Basis findet muss Train Line Gartenbahnen noch einige Hausaufgaben machen: Die bisherige „App-Lösung“ funktioniert zwar, aber es wird dringend eine richtige Steuerungs-App benötigt. Zum Start gibt es auch nur die Software für Android-Handys – vorausgesetzt die richtige Android-Version ist installiert. Eine iPhone-App fehlt ganz.

Mehr als die iPhone-App fehlt aber eine Kernkomponente: Wie sollen die Weichen geschaltet werden? Die Lok fahren zu lassen macht Spaß. Aber irgendwann muss auch mal eine Weiche geschaltet werden. Dies kann Train Control WLAN zur Zeit noch nicht.

Wenn Train Line Gartenbahnen diese Probleme angeht, hat Train Line WLAN die Möglichkeit mehr als ein Nischenprodukt zu werden.“

… und was als Version 2.0 daraus wurde:

  • Die Gleichrichterelektronik ist nun auf der PLC-Platine verbaut, so entfällt Lötarbeit, die vorher vom Kunden zu erledigen war.
    Übrigens ist der Raspberry-Computer für wenig Geld (um 30 EUR, Straßenpreis) im Falle eines Defektes im Internet zu bekommen, die aufzusteckende PLC-Platine ist allerdings ein exklusives Produkt von Train Line.
  • Es werden zwei Goldcaps als Puffer für den Minicomputer beigelegt. Das ist notwendig, da der Raspberry selbst bei kürzester Stromunterbrechung wie ein normaler PC abstürzt.
  • Software-Updates sind nun über die WLAN-Verbindung möglich, vorher musste die Speicherkarte an Train Line geschickt werden.
  • Trotz Ankündigung im Train Line-Shop wird noch kein eigenes Steuerungsprogramm für Train Control WLAN angeboten.
  • Das Problem mit der Größe der Bedienoberfläche bleibt bestehen, sie passt eben am besten auf dem Smartphone des Entwicklers, wie sie 2013 erkennbar mit „heißer Nadel“ zusammengestrickt wurde und wie sie seit dem kaum weiterentwickelt wurde. Die Anpassung der App an das jeweilige Display bleibt auch in der Version 2.0 Sache des Kunden.

Eine erste Einschätzung

Die derzeit gebotene Funktionalität des WLAN-Decoders entspricht nicht einmal der des billigsten Zimo DCC-Decoders, der deutlich weniger als die Hälfte des Train Control WLAN-Decoder kostet (Zimo MX696N, 88 EUR Listenpreis). Zwar kann der nicht funken, aber bei drei ausgerüsteten Loks hat man schon eine vollwertige DCC-Zentrale (Set100) von Lenz zusammen und spart je weitere Lok 100 EUR …

Somit ist das Train Line-Produkt weiterhin eher für WLAN-Enthusiasten als für die breite Masse der Gartenbahner gemacht, insbesondere. Der WLAN-Decoder benötigt viel Platz in der Lok.

Train Line vermittelt bis heute nicht, wohin die Reise mit dem WLAN-Decoder gehen soll. Der Kunde tritt derzeit mit dem Kauf des Decoders in Vorleistung, allein darauf hoffend, was in zwei, drei oder mehr Jahren vielleicht angeboten wird.
Sicher ist nur, dass alle Äußerungen des Entwickler bestenfalls seine Privatmeinung sind, da er kein Mitarbeiter Train Lines ist, sondern nach eigenem Bekunden lediglich freundschaftlich verbunden mit Meik Schröder.

Für mich ist Train Control WLAN deshalb nicht mehr als eine Wette auf die Zukunft.  Schafft Train Line die schöne neue Gartenbahnwelt. Oder ist Train Control WLAN nur eine teure Insellösung für rund 200 EUR je Lok?

Die Alternative ist ein etabliertes, von vielen Herstellern getragenes System namens DCC, dass bereits über Jahrzehnte seine Zuverlässigkeit zeigt und weiterhin an aktuelle Bedürfnisse angepasst wird.


Alle Listenpreise wurden im Januar 2016 abgerufen.

Zum zweiten Teil.

2 Gedanken zu „Fährt Train Control WLAN aufs Abstellgleis? (Teil 1/3)

  1. Dr. Peter Zenner

    Zwar ist vieles richtig, was hier geschrieben steht, aber inzwischen hat sich Wesentliches geändert und wir müssen jetzt eine Lanze für Train-Line45 brechen. Wir hatten von Anfang an an das Konzept geglaubt und beschäftigen uns seit zwei Jahren mit Unterbrechungen mit dem Einbau der Train Control WLAN Elektronik in Loks wie z.B. die PIKO BR80. In der Zwischenzeit konnten wir einige Erfahrung sammeln. Ich will es kurz machen. Nach anfänglichen erheblichen Schwierigkeiten auch bei der Version 2.0 mit dem kleineren Raspberry Pi A+ Computer, funktioniert das System seit ca. 6 Monaten in mehreren unserer Loks sehr stabil. Es war längere Zeit still um die die WLAN Loks geworden, weil es technischen Probleme gab. Im Prinzip war es ein schwer zu findender Softwarefehler, der den WLAN Empfang instabil machte. Der hatte die Entwicklung um längere Zeit zurück geworfen. Erst jetzt ist Zeit, um weitere gewünschte Entwicklungen voran zu treiben, damit das System keine Insellösung bleibt. Daher sind wir sehr zuversichtlich, dass Train-Line45 hier ein Zukunftsprodukt in Händen hält und wir mit unseren WLAN-Loks nicht auf dem Abstellgleis stehen.
    ZENNER Gartenbahn

    Antworten
    1. Holger Gatz Beitragsautor

      Hallo Herr Dr. Zenner,

      danke für die Informationen zum aktuellen Stand und den bisherigen Problemen von WLAN-TL.
      Sobald es weitere Informationen zur Entwicklung des Systems gibt, soll hier gerne im Blog berichtet werden.

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