Train Control WLAN – Fährt Train Lines Steuerung auf Abstellgleis? (Teil 2/3)

Im ersten Teil wurde die Frage gestellt, was sich bei Train Control WLAN in den letzten zwei Jahren getan hat. Hier geht es um Aussagen, die in Diskussionen und Beschreibungen zu dieser WLAN-Technik immer wieder eine Rolle spielen.

01. WLAN-Decoder und mein Smartphone, dann geht’s los

Nicht ganz, denn es wird gegenwärtig eine kostenpflichtige Android-App (8,99 EUR) benötigt. Leider steht das nicht expliziet bei dieser Produktbeschreibung.

02. Eine Zentrale ist nicht mehr notwendig

Mit der Aussage ist in der Regel eine DCC-Zentrale gemeint. DCC-Zenralen mit Handbediengerät und 5 A Ausgangsstrom sind schon für 300 EUR und weniger im Internthandel erhältlich.
Mehr zum Preisvergleich WLAN/DCC siehe unter Punkte 4.
Train Contral WLAN benötigt eine solche Zentrale nicht, aber wenn zwei und mehr Loks über WLAN gleichzeitig gesteuert werden sollen, geht das nur über einen zusätzlichen Router (Train Line, 135 EUR), der das Funknetz verwaltet.

03. Bei WLAN gibt es eine Rückmeldung vom Decoder, bei DCC nicht

Im WLAN-Netz können Daten in jede Richtung übertragen werden. Train Control WLAN meldet in der 2.0-Version die Geschwindigkeit der Lok und die Weichen-/ Signalsstellung zurück.
Tatsächlich bröckelt dieses „Alleinstellungsmerkmal“.

2007 wurde Railcom in den Standard der DCC-Steuerung aufgenommen und ab 2011 im Markt eingeführt. Inzwischen ist Railcom Bestandteil vieler moderner Zentralen und Lokdecoder. Damit ist es möglich, kurze Informationen von der Lok zu senden. Einfachste Anwendungen sind die automatische Anmeldung einer DCC-Lok an der Zentrale oder die Besetztmeldung von Gleisabschnitten mit Lokerkennung.
Die in meinen Beispielen erwähnten DCC-Decoder und DCC-Zentralen sind railcom-fähig.

Als Alternative bietet Uhlenbrock zusammen mit gamesontrack ein System an, mit dem DCC nachträglich mit Funk von der Zentrale direkt zu den Loks ausgestattet werden kann. Die Weichen können dabei auch mit Funk-Rückmelder nachgerüstet werden.

04. Mehrzugbetrieb mit WLAN ist billiger als mit einem DCC-System

Wer die Rückmeldung der gefahrenen Lokgeschwindigkeit und der Weichenschaltung nicht benötigt oder für jede Lok einen Videostream aus dem Fahrstand, sondern eher Wert legt auf umfangreiche Funktionen und Einstellmöglichkeiten der Lokdekoder, spart mit DCC bereits ab der fünften Lok.
Sound ist in beiden Beispielen über die SUSI-Schnittstelle nachrüstbar.

Ein Beispiel mit vier Loks:

Für die WLAN-Steuerung summieren sich 941 EUR*:
Train Line Router (135 EUR, Router und schalten von 8 Weichen), Bedienungsapp (8,99 EUR), sowie vier Lokdecoder (199 EUR incl. Gold Caps als Puffer).

Die DCC-Lösung liegt mit 924 EUR* darunter:
Ein Lenz-Startset Set100 (400 EUR, vollwertige DCC-Zentrale, Kabelfernbedienung LH100), 4 Großbahndekoder zu je 88 EUR (Zimo MX696N), Gold Caps für die Decoder als Puffer (gesamt 32 EUR), zwei Weichendecoder von Massoth (je 70 EUR für je 4 Weichen).

Nach diesem Beispiel spart der DCC-Gartenbahner gegenüber dem WLAN-System für die fünfte und jede weitere Lok 100 EUR.

* Listenpreise bis auf Lenz Digital. Für das Lenz Digital Set100 war kein Listenpreis abrufbar. Gewählt wurde daher ein hoher Straßenpreis. Der übliche Preis im Internethandel ist für das Set100 deutlich geringer (ca. 320 EUR).

05. Vorhandene DCC-Decoder können weiterverwendet werden

Der WLAN-Decoder kann als DCC-Zentrale programmiert und einem vorhandenen DCC-Decoder in der Lok vorgeschaltet werden.
Neben dem Train Line Router (ab 2 Loks, 135 EUR, nebst Android-App für 8,99 EUR) ist bei dieser Variante für jede Lok ein WLAN-Decoder (199 EUR) notwendig.

Wer nicht jede Lok mit Video oder RFID-Leser ausstatten will (für die seitens Train Line derzeit ohnehin kein Zubehör im Shop angeboten wird), sondern lediglich seine vorhandenen DCC-Loks und Schaltartikel per Funk anzusteuern gedenkt, dem bietet Uhlenbrock bzw. gamesontrack eine kostengünstigere Alternative:
Ein Funksender (149 EUR) zum Anschluß an die vorhandene DCC-Zentrale und einen kleinen Funkempfänger (69 EUR) für den Lok- bzw. Funktionsdekoder. Das System funkt dann die DCC-Befehle von der DCC-Zentrale an beliebige DCC-Decoder auf der Anlage. Ein Funkmodul für die Rückmeldung von den Weichen zur Zentrale ist ebenfalls im Programm.

06. WLAN hat keine Reichenweitenprobleme auf der Außenanlage

Die Reichweite im WLAN-Funknetz ist abhängig vom schwächsten Glied: Decoder, Router oder Smartphone/Tablet, denn es genügt nicht, wenn z.B. der Router die Verbindung zur Lok hält, während zum Smarphone kein Kontakt mehr besteht.

Bei geringen Reichweiten des WLAN-Netzes wird, wie in dieser Diskussion, gerne auf unzureichende Gerätequalität oder mitunter auf fehlende Kenntnisse des Kunden in der Einrichtung des Netzwerks hingewiesen.
Allerdings ist die Datenübertragung bei WLAN weit komplexer als bei RC-Modellsendern.
Der Beitrag in einer Diskussion fasst es so zusammen:

„Man mag ja, wie es manche glauben machen wollen, denken „2.4 GHz ist ja wohl egal, ob da R/C oder WLAN drüber läuft“. Das trifft aber keinesfalls zu. Ich vergleiche es gerne mit einem Beispiel aus der Nachrichtentechnik – ein Morse-Signal reicht immer weiter und kann unter schlechten Übertragungsbedingungen noch gelesen werden. Ein Fernsehsignal wegen seines viel komplizierteren Aufbaus und daraus höheren Ansprüchen an den Signal-Rauschabstand nicht.“

Außerdem durchdringen die Wellen schlecht feuchte oder Wasser enthaltende Hindernisse wie Pflanzen, Menschen oder regennasse Oberflächen. Für U-Boot-Modellfaher ist dies ein besonderes Problem, da die Wellen nur knapp unter die Wasseroberfläche reichen, weshalb hier weiterhin für die Steuerung der Boote die ältere 27- und 40-MHz-Technik verwendet.

Bei schlechten WLAN-Verbindungen auf der Anlage in Tunnels, um Hausecken oder hinter Hügeln helfen Repeater und Accesspoints, was aber wieder zusätzlichen Aufwand für den Gartenbahnbetreiber bedeutet.

07. WLAN kann auch mit Akkus betrieben werden

Es ist der logische Schritt, mit Funk und Akku zukünftig das Schienenputzen unnötig zu machen, allerdings erkauft man sich diese Freiheit bei Train Control WLAN mit deutlich geringerer Fahrzeit im Vergleich zu einem für den Funkmodellbau optimierten RC-System.

In Gesprächen mit Funklokfahrer, die unterschiedliche RC-Technik aus dem Modellbau nutzen, wird vor allem der relativ hohe Stromverbrauch des Raspberry-Pi-Computers bemängelt, der zu Lasten der Fahrzeit geht, denn Train Control WLAN-Decoder sind auf einem Raspberry PI-Einplatinencomputer aufgebaut, der je nach Typ und Belastung 500  – 1000 mA benötigt.

Zum Vergleich:
Der oft in LGB-Loks verbaute Bühlermotor braucht bei mittlerer Belastung 400 – 700 mA, bei Volllast 700 – 900 mA (LGB, Technische Daten). Eine RC-Modell-Fernsteuerung fällt mit ihrem Stromverbrauch (70 – 100 mA) weit weniger ins Gewicht.

08. WLAN ist zukunftssicher und bietet viele zusätzliche Funktionen

Was sich in den letzten zwei Jahren bei Train Control WLAN getan hat und wie diese zusätzlichen Möglichkeiten genutzt wurden, wird im ersten Teil beschrieben: Unterm Strich ist das nach meiner Einschätzung nicht viel, sieht man von der Rückmeldung der Lokgeschwindigkeit und der Weichenpositon einmal ab, die durchaus ihren Wert haben.
Von der schönen neuen WLAN-Welt scheint mir allerdings das Angebot bei Trail Line noch weit entfernt.

09. WLAN ermöglicht einen automatisierten Betrieb

Viele DCC-Zentralen können per PC, Tablet oder Smartphone mit dem Open-Source-Projekt Rocrail bedient werden. Das ermöglicht sowohl das Steuern einzelner oder mehrerer Zügen, Weichen- und Signalstellen als auch einen automatisierten Ablauf.
Aber auch herstellereigene Programme zur DCC-Anlagensteuerung werden angeboten.

Train Conrol WLAN wird, so schrieb der Entwickler Karl Grote hier, auch zukünftig den Betrieb mit Rocrail nicht unterstützen.

Wer ein Gleisbildstellwerk mit Weichenstellfunktion und Rückmeldung auf seinem Tablet wünscht, muss sich somit bei Train Control WLAN derzeit noch selbst an die Umgestaltung der Android-Oberfläche machen.
Eine neue App für Train Control WLAN soll in Vorbereitung sein (Stand Juni 2015). Hierzu gibt es im Internetshop von Train Line bisher nur eine Ankündigung ohne weitere Details.

10. Hase und Igel – Kommt Train Line nicht aus der Furche?

Als Train Control WLAN vorgestellt wurde, schien dieses System den Mitbewerbern davon zu laufen. Inzwischen entwickelt sich die Situation wohl eher wie in der Geschichte vom Hasen und Igel: Der Hase rennt, aber der Igel ist bereits da.

Tatsächlich entwickeln die etablierten DCC-Hersteller ebenfalls schon länger in Richtung Funksteuerung.
So hat Roco zwei H0-Loks mit Echtzeit-Videokameras auf WLAN-Basis im Programm und bietet im Einstiegssegment für Kinder ein spezielles Spielvergnügen mit Smartphones und Tablet (Apple-IOS und Android), wobei der Spielablauf über RFIDs im Gleis beeinflusst wird, die die Lok beim Überfahren ausliest (sogenannte Action Points, Next Generation Basis-Set).

Damit zeigt Roco schon jetzt, was Train Line bisher angekündigt aber noch nicht ins Zubehör aufgenommen hat: Spielbeeinflussung per RFID und das mitsamt WLAN-Modul, H0-Lokdecoder und RFID-Leser in einer H0-Lok verpackt.

Eine zweite Einschätzung

Train Control WLAN nutzt moderne Industrietechnik, konnte aber seit der Markeinführung bei den Lokfunktionen nicht wirklich zu den DCC-Decodern aufschließen: 5 A Gesamtstrom, 8 Funktionen (je 500 mA, lediglich ein/aus) Servo-Aussgang und SUSI lassen sich, wie im Beispiel gezeigt, mit DCC-Decodern kostengünstiger bewerkstelligen. Dabei sind die Decodergröße und spezielle Schaltfunktionen, wie bei DCC-Decoder dieser Preisklasse üblich, noch nicht einmal berücksichtigt.

Die Technik mit Einplatinen-PC und WLAN-Funkverbindung hat sicherlich ihre Zukunft und eröffnet vielfältige technische Lösungen, die mitunter über das hinaus gehen, was man sich gegenwärtig vielleicht vorzustellen vermag. Insgesamt ist davon aber bei Train Line nicht viel zu merken:
Zu herausgestellten Funktionen (Kamera, RFID) sucht man das Zubehör, das der Gartenbahner gleich mitkaufen und installiern könnte, im Internetshop (Stand Jan. 2016) vergebens.

Blockrückmeldung, Zugbeeinflussung und Fünktionsauslösung in der Lok und auch am Gleis über RFIDs, dafür wäre dieser WLAN-Decoder mit seinem „intelligenten“ Mini-PC prädestiniert. Das könnte besondere Kauf-Anreize geben und den Wunsch fördern, dieses System weiter auszubauen. Aber derlei ist auch zwei Jahre nach Markteinführung nicht im Programm oder zumindest angekündigt.


Zum ersten Teil geht es hier, der dritte Teil ist hier zu lesen.

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